Die Lehrjahre nicht nur in der Schule -

sondern durch den Lichtschacht der EXA

und im Focus der Lebenswelt von vorgestern





Es war die Epoche der "68er" - diese Bezeichnung erfand die bürgerlichen Presse nach über 30 Jahren. Damals jedoch gehörte zu den "Radikalinskis" alles, was zwischen 14 und 30 Jahren längere Haare trug oder sonst sich vom Westberliner BZ-Bürger, diesen vielen kleinen Diebchens,  Buschkowskis und anderen Spießern mit dem typischen "Mottenpost"-Slang, eine auf hochdeutsch gequälte Verleugnung der Berliner Mundart, unterschied. Man war ja in einer Weltstadt und was feineres als die Proleten, die "mir" und "mich" verwechselten. Diese feinen Herren wie das Pack um den Herrn Diepgen verwechselten stattdessen öffentliches  Eigentum mit dem persönlichen sehr gern. Bis zu dem Partybürgermeister Wowereit, der fast auf den Tag genau so alt wie der Autor ist, hielt sich dieser unerschütterliche Weltstadtglaube. Nun gut, man kann gern glauben, dass die Welt eine Käseglocke ist und Berlin "mittenmang". Aus psychiatrischer Sicht ist das von Eric Berne in dem Buch "die Spiele der Erwachsenen" sehr gut analysiert und erklärt dieses irrational-neurotische Verhalten sämtlicher Politiker, die Berliner Boden betreten haben und von dort aus ihre Kriege führen. Gegen welchen Feind auch immer. Als die Fotos entstanden, war es die Zeit der harten Kontraste, was in dem Vorsignal links an der toten S-Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf oder an dem Warnsignal an der Goerzbahn im Bereich Dahlemer Weg-Mühlenstr. ersichtlich ist. Ich lernte daraus, dass man sich nicht zu Emotionen bei dem Fotografieren hinreißen lassen darf. Das wird alles andere als das Top-Foto, was man sich gerade vorstellt.



Über die Musik lernte ich den Mann einer Sängerin kennen, den Berliner Fotografen Peter von Waldhausen. Er lehrte mich neben Tricks im Labor besonders das "Sehen" eines Fotos. Eine harte Schule. Mein schönes Nachtfoto vom Laub unter der Gaslaterne ohne Lili Marleen fand er annehmbar, jedoch bemängelte er das Streichholz, das wie "hingelegt" aussähe. Erwischt. Nach dem ich mir die Zigarette anzündete, positionierte ich das Holz in der Mitte, um einen Kontrapunkt im Foto zu setzen.Von ihm erfuhr ich die alte
Fotografenregel:

"Verstärken, Abschwächen, Wegschmeißen".

Bei mir reichte bereits der Kaliumpermanganat-Abschwächer, um anschließend das Negativ in den Papierkorb zu befördern. 
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Goerzbahn in Richtung Bf. Lichterfelde-West
Beide Aufnahmen wurden auf einem  Kodak Tri-X-Film, sehr zur Missbilligung des Lehrers in einem selbst angesetzten Negativ-Entwickler Typ "Ätzkali-Hydrochinon- Entwickler" gehandelt, der für harte Kontraste sorgte. Jedoch bei Unterbelichtung zeigte er die Körnung deutlich




"Unter einer Gaslaterne" in der Pfleidererstr. Ganz ohne Lili Marleen.

Ein Foto mochte ich damals besonders. Ein Boot an einem Anleger am Wannsee. Das Foto fand keine Gnade, weil es nicht "scharf" genug war. Er war ein "Schärfefanatiker und heute ärgere ich mich sehr, wenn ein schönes Foto nicht entsprechende Schärfe aufweist. Bei den kurzen Belichtungszeiten der Digitalkameras gibt es allenfalls bei langen Teleobjektiven das Risiko zur Verwacklung.

Trotz der Kritik entschloss ich mich das Foto zu vergrößern.
Die Lehrzeit war durch den Umzug von Berlin in den Oberharz abgeschlossen worden und im Schullabor arbeitete ich mit einem anderen Schüler an unsern Werken. So lag nun mein Bootsanleger in der Entwicklerschale und quälte sich zu stärkeren Kontrasten, weil die Belichtungszeit offenbar zu kurz war. Durch ein Missgeschick von uns beiden  bei der Fußbodenprojektion für ein besonders großes Foto kippte der Vergrößerer um und landete auf dem Boden. Erschrocken knipste einer von uns das Licht an, um zu schauen was passiert war. Ich nahm die Lampenhaube ab und prüfte die Lampe. Sie war intakt geblieben. Erleichtert setzten wir den Apparat auf den Tisch und ich schaute in die Schale. So war mit einem Mal das linke Foto dabei herausgekommen. Eine klassische Pseudosolariation, wie mir mein Lehrer es beigebracht hatte. Bisher hatte ich nur Misserfolg - aber nun war ich entschädigt. Das Original befindet sich im Familienbesitz, deshalb fertigte ich ein Repro auf Rollfilm an. Entwickelt wurde das Original im klassischen "Eukobrom"-Positiventwickler von Tetenal.

Die sogenannte "Nachbelichtungstechnik" ist für Dia-Umkehrfilme zwingende Voraussetzung. Die Solarisation, wie sie in Bildbearbeitungsprogrammen für Digitalfotografie angeboten wird, ist eine rein rechnerischer Prozess, also ein Algorithmus. Die Pseudosolarisation dagegen beruht auf dem Sabatier-Effekt. Die Konzentration an Silberkristallen, die durch die reduzierende Entwicklung den entsprechenden Grauton erzeugt wird, erfährt durch die Nachbelichtung einer dramatische Steigerung. Es entstehen Kristallaggregate, während an den Übergangsstellen die Konzentration abnimmt und nach dem Fixieren weiße Flächen entstehen. Deutlich ist das an den Kanten zu sehen.Da chemische Reaktionen in fest-flüssigen Systemen durch die statistischen Molekularbewegungen gesteuert werden, ist jedes Bild, welches auf diese Art und Weise entsteht ein Unikat.




Um 1970 herum verwandelte sich der Altenauer Glockenberg in eine gigantische Baustelle. Es wurde extra für diese Großbaustelle ein Transportbetonwerk eingerichtet. Ein vierzehngeschossiges Hochhaus umgeben von dreistöckigen Betonklötzen ließen einen "Ferienpark" entstehen. So sollten an die 5000 Touristenbetten entstehen. Es war die Zeit der aktiven Landschaftsverschandelung, die heute den Kommunen marode Altlasten bescheren, Es kamen nicht annhäernd so viele Terroristen, doch reichte es aus, dass das Klärwerk überlastet wurde. Es befindet sich an einem ehemaligen Sägewerk, welches zum Camping-Platz umgestaltet wurde. Wenn die Zelt- und Wohnwagenbesitzer grillten, dann mischte sich das mit dem herrlichen fäkalen Duft zu einem Aroma, welches das Bestreben der Oberharzer illustriert: Aus Scheiße Gold machen. Doch der Oberharz besitzt kein Gold. Die Lagerstättenbildung war dazu nicht hochtemperiert genug. Gleiches gilt für den Tourismus. Er starb eines zwar langsamen aber doch reichlich endgültigen Todes. Die Totengräber waren die Betreiber von Hotel, Pension und Gastronomie selbst. Sie konnten von ihrer Habgier nicht lassen und betrieben Wegelagerei im Verbund mit Straßenräuberei. Man setzte auf "Zweier-Touristen". Die kamen einmal und dann nie wieder. Standorttreue alte Leutchen starben aus, stattdessen randalierten an Wochenenden Bataillone von besoffenen Kegelclubs, torkelten Dänen durch die Gegend und die Niederländer, im Ausnehmen selbst anerkannte Spezialisten, zog es lieber nach Österreich.
Doch davon ist zur Zeit der Aufnahme noch nichts zu merken. Es wurden gerade die Straßen gebaut und so präsentierten sich die Kanalringe samt notwendigem Verbotsschild.


Die Bahnlinie (Goslar)-Langelsheim - Altenau besaß einen imposanten Viadukt, den gerade ein VT08 aus Braunschweig kommend überquert. Trotz Farbkorrektur zeigt der Ferrania-Umkehrfilme einen herben Blaustich. Schade, denn dieses Motiv wird sich nie wiederholen. 1976 wurde die Strecke stillgelegt und danach unmittelbar mit dem Abriss begonnen. Der Bundesbahn konnte es bei den Streckenstillegungen gar nicht schnell genug vorangehen. Dieser perversen Strategie verdanken die ländlichen Gegenden heute ihre Isolation und gleichzeitige automobile Zwangskultur.


Es wird teilweise bunt. Der schmale Geldbeutel lässt zu Dia-Farbfilmen greifen. So entsteht eine Farbstich sammlung. Billig und sehr häufig verwendet der ORWOChrome UT18 bzw. UT 21, der Farbstich ist ein Magenta, Perutz Chrome kommt mit einem satten Grünstich daher getrabt. Warm und rötlich dagegen der OgaChrome von Oberfeld & Gassner, heute längst vergessen. Ferrania mit seinen satten Farben wird im Winter stark bläulich und nicht zuletzt der blaustichige Kodachrome, Ektachrome ist etwas natürlicher, aber dafür teurer. Der Anlass auf Umkehrfilme umzusteigen ist profan. Es mangelte am Fotolabor, denn in der Schule war die Zeit stets knapp begrenzt, weil der Hausmeister Feierabend haben wollte. An der Universität gab es ein Fotolabor, aber man musste dazu die richtige politische Einstellung haben und die wurde vom KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschland) bestimmt, einer damals beliebten K-Sekte, zu der auch die spätere SPD Trulla Schmidt gehörte. Höhepunkt war ein Fotowettbewerb. Der erste Preis ging an ein Foto wo unter der Eisenbahnbrücke ein "Türken raus" gesprüht war. Ein wahrhaft revolutionäres Foto von hohem künstlerischem Rang. Unterbelichtet und unter dem Vergrößerer noch flau entwickelt gab es mit seinen zahlreichen Grautönen ein getreues Bild der künstlerischen Vielfalt dieser Revolutionäre.


Dampflok BR 50 mit Schlepptender fährt in den Bahnhof Altenau ein.
ORWOchrome UT 21 (100ASA), EXA IA, E.Ludwig Meritar 2.9/50mm
Die Lok war im Bf. Clausthal beheimatet und lieferte zwei mal pro Woche Güter wie Kohlen und Heizöl. Abgefahren hingegen wurden Langhölzer.
Nach der Orkankatastrophe am 13. November 1972 wurde der Bahnbetrieb allein wegen der Abfuhr des gefallenen Holzes noch weitere 4 Jahre aufrecht erhalten bis zur Stillegung. Die spätere Analyse ergab, dass danach die Anzahl der Touristen sehr deutlich zurückging. Der Anfang vom Ende.

Landschaft und Technik wurden die Hauptthemen in der Fotografie. Zu Personenfotos konnte ich nur mäßige Begeisterung aufbringen. Ausnahme bildete natürlich die Berichterstattung, wo es auf den Text und die handelnden Personen ankommt. Abgeschreckt durch fotografierende Tanten, besodners wenn sie aus den USA kamen, haben bei mir einen Widerwillen gegen Knipsbildchen erzeugt. Glücklicherweise bin ich so auch um juristische Klippen wie das "Recht am eigenen Bild" herumgeschippert.

In dieser Zeit entstanden eher sporadisch Bildserien. Gelegentliche Reisen nach Berlin und in die DDR lieferten eine Reihe von Fotos, doch besitzen sie meist toristischen Charakter. Eine Ausnahme bilden die Eisenbahnfotos.

Nach einem mehrmonatigen Praktikum in eine Forschungsabteilung von Philips in Eindhoven, konnte nicht nur die niuederländische Sprache erlernt werden, sondern es gab einen Einschnitt. Die EXA IA wurde nur noch in der DDR verkauft, die Exacta Varex war nicht mehr als neue Kamera zu erwerben, es gab dann noch etliche Jahre einen Streit um den Markennamen. Doch wichtig war die Tatsache, dass Wechselobjektive mit Exacta-Bajonett rar wurden. Daher stieg ich auf die Practika mit M42 Einschraubgewinde um. Über 20 Jahre sollte ich dabei bleiben. Zusätztlich kamen vor 30 Jahren noch Mittelformatkameras hinzu. Leider musste wegen Umzug das Fotolabor abgestoßen werden. So wurde die Kleinbildfotografie erst durch die Digitalkamera abgelöst.






"Wellner Fahrweg" b. Altenau mit Blick zum Brocken. Links der Sendemast des NDR rechts vom Brockenhaus die Richtfunkstrecke Berlin(Schäferberg)-Torfhaus und der Sendemast Harz-West. Die historische Aufnahme aus dem Jahr 1968 wurde wie das Brockenfoto rechts auf ORWO-Umkehrfilm UT15 belichtet. (Mit etwas mehr "blau" gefiltert.)




Der Brocken 1968 machte einen sehr verlassenen Eindruck. An zwei Tagen der Woche sahen die BGS-Angehörigen die Dampfwolken der Brockenbahn. Die Abhörstation, welche von Schierke aus fernbedient wurde, sollte erst Jahre später errichtet werden.

Im Vordergrund der Brockengranit der Luisenklippen. Das Foto wurde mit dem Tele-Ennalyt 2.8/135mm auf ORWO-Film aufgenommen.
Für einen Schüler und späterem Studenten ist der chronische Geldmangel ein treuer Wegbegleiter. Ein eigenes Fotolabor ist einem Fotoamateur als Eigenheimbewohner vielleicht eine Selbstverständlichkeit. Für den Mieter nur bei großen Wohnungen mit "Nebengelass" (vornehme Beschreibung für fensterlose Kabuffs) möglich. Jedoch musste ich mich im Studentenwohnheim mit einem kleinen Raum begnügen und in Mutters Heim gab es auch keine solche Möglichkeit. Was lag also näher als auf Farbumkehrfilme zu setzen. Dia-Abende waren allseits verbreitet und gefürchtet. Eine unübertroffene Beschreibung erzreaktionären bildungsbürgerlichen Lebens Diavorträge inclusive, liefert die herrliche Erzählung von Gabriele Wohmann: "Wenn der Wolf geht...", aus ihren Kurzgeschichten, welche selbst ein Marcel Reich-Ranicki in einer Literaturkritik hervorhob.

So entstanden über Jahre Diaserien, die bis heute noch nicht vollständig aufgearbeitet wurden. Einige exemplarische Fotos seien rechts vorgestellt.



Triebwageneinheit VT98 als Standardzug auf der Strecke Goslar-Langelsheim-Clausthal-Zellerfeld-Altenau bei der Fahrt durch die "Schlucht". Der Bergeinschnitt vom Hellerthal-Viadukt bis zum Bf. Altenau wurde so genannt.
(Sommer 1968) Exa IA, ORWO UT15, Tele-Ennalyt 2.8/135mm




Blick in das Sösetal vom Acker-Bruchberg Höhenzug
(Spätsommer 1978)
Practika LTL, Ogachrome 100, Meyer Domiplan 2.8/50mm
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